Saul bei der Totenbeschwörerin – eine sprachliche Analyse von 1 Sam 28, 3-25
Unaufhaltsam geht Saul, der König von Israel, seinem Ende entgegen. 1 Sam 28, 3-25 erzählt die Geschichte seines letzten verzweifelten Versuchs, dieser ausweglosen Situation zu entrinnen. Angesichts des Anblicks eines übermächtigen feindlichen Heeres wendet er sich an YHWH. Doch dieser schweigt. Im Lauf der Erzählung ertrotzt sich Saul dennoch eine Antwort. Er, der Gottes Schweigen nicht akzeptieren will, muss die Macht der Sprache von Seiten seines ehemaligen Beraters, Samuel, erfahren. Die Wucht der Worte Samuels werfen ihn zu Boden. An Sauls Situation hat sich nichts geändert — nur das Schweigen wurde gebrochen. Befürchtetes wurde zur Gewissheit, das Wort traf ins Herz.
Das Interesse an der Wirkmacht der Sprache war der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Wie wird innerhalb einer Erzählung durch Sprache gehandelt? Wie wirken die Akteure durch Worte aufeinander ein? Wie wird, auf Gesamttextebene, Sprache eingesetzt, um den Leser zu führen? Am Beispiel des Texts 1 Sam 28, 3-25 soll eine Antwort auf diese Fragen gegeben werden. Aufgrund ihrer starken Prägung durch wörtliche Rede ist diese Erzählung dafür besonders gut geeignet.
Der Versuch, Strategien des Erzählens aufzudecken, fordert ein Vorgehen, das möglichst nahe am Text bleibt. Daher wird zunächst mit Hilfe der Textkritik eine sichere Arbeitsgrundlage geschaffen. In der Literarkritik wird überprüft, ob sich verschiedene Überlieferungsschichten abtragen lassen, um sich für eine Stufe des Textes zu entscheiden, die dann Ausgangs- und Zielpunkt der weiteren Arbeitsschritte sein wird. In den Untersuchungen zur Textstruktur werden sprachliche Merkmale der Erzählung Beachtung finden – insbesondere solche, die eine Gliederung des Texts in einzelne Abschnitte erlauben. Im Rahmen der Sprechaktanalyse wird an die oben gestellten Fragen angeknüpft: Die einzelnen Redebeiträge werden auf ihre Wirkabsicht untersucht, die Struktur der Dialoge offen gelegt und damit das Beziehungsgeflecht, das sich durch die verbale Kommunikation zwischen den Akteuren ergibt, beleuchtet. In einem letzten Schritt wird schließlich der Akt des Erzählens im Mittelpunkt des Interesses stehen. Es soll geklärt werden, welche Inhalte zur Sprache kommen und wie diese dem Leser vorgeführt werden. Damit verbunden sind zum einen Fragen nach den Schwerpunkten der Erzählung, zum anderen nach den Strategien der Leserlenkung. Der Leser erfährt, dass Saul unaufhaltsam seinem Ende entgegen geht; dabei realisiert er kaum, wie ihm dieser Sachverhalt vermittelt wird.
In dem Bewusstsein, dass der Text zahlreiche weitere Anknüpfungspunkte bietet und nicht annähernd erschöpfend behandelt werden kann, soll mit der vorliegenden Arbeit eine Annäherung zumindest an seine kommunikative Komponente gewagt werden.